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Wie die Werrabrücke zu Kloster gerettet wurde


Abschrift des Artikels aus dem „Landstreicher“ Nr. 1/2019 Autorin Jana Henn

Mit freundlicher Genehmigung von Frau Silvia Rost, Redakteurin des Landstreichers und Frau Jana Henn

 

Eine mutige Tat am Ende des Krieges – ein Zeitzeugenbericht

„Aber keiner leider hat bis heute den ‚Unbekannten Helden‘ ein Denkmal gesetzt.“ Dieser Satz findet sich in einem kleinen Büchlein, einer Geschichte über die Werrabrücke, welches im Selbstverlag von Klaus Riedel herausgegeben wurde.  Er schreibt auch, dass sich um die Werrabrücke, im Volksmund auch „Klosterbrücke“, so manche Geschichte rankt. Einer dieser Geschichten beschreibt die Rettung der Brücke zum Kriegsende 1945.

Der deutlichste Hinweis findet sich in der Online-Chronik der Stadt Bad salzungen, die von Ortschronist Hartmut Ruck verfasst wurde. Hier heißt es: „An der Werrabrücke nach Kloster entfernten Albin Matthes und Adam Weitz aus Dorf Allendorf die Sprengladungen.“ Der Sohn des besagten Adam Weitz lebt heute in Suhl. Mit Karl-Heinz Weitz sprach die „Landstreicher“-Redaktion über seine Rechercheergebnisse.

Wie kam es dazu, dass Sie sich mit der Geschichte der Werrabrücke zum Ende des zweiten Weltkrieges zwischen Bad Salzungen und Kloster beschäftigt haben?

Karl-Heinz Weitz: Ich bin Kriminalist und habe viele Jahre bei der Kriminalpolizei gearbeitet. Seit 30 Jahren recherchiere ich genauso kriminalistisch über die Geschichte und habe sie in einer Abhandlung unter dem Titel ‚Die Amerikaner besetzen Dorf Allendorf‘ zusammengefasst.

In der Geschichte um die Rettung der Werrabrücke spielt ihr Vater eine Rolle. Was war er für ein Mensch?

Karl-Heinz Weitz: Ich möchte Ihnen ein paar Geschichten erzählen, die das ganz gut beschreiben. Mein Vater war Mitglied der Kommunistischen Partei und hat sie hier vor Ort mitgegründet. Später war er Gesamtbetriebsratsvorsitzender in der damaligen ‚Sowjetischen Aktiengesellschaft‘ SAG Kali und Salz mit Sitz in Dorndorf. Er verstarb 1954 an einer Lungenentzündung. Er war jemand, der an andere gedacht und sich eingesetzt hat. So hat er beispielsweise nach dem Krieg zwei Waggons Kohlen kommen lassen. Der größte Bauer im Dorf hat sie abgeladen und sollte sie verteilen im Dorf. Das hat er auch mit Nachdruck eingefordert. Ich habe den Auftrag damals an den Bauern übermittelt. Als das Lager in Oberrohn aufgelöst wurde, haben wir gehört, dass es dort Uhren gibt. Ich wollte hin. Ich war ja damals noch ein Pimpf. Mein Vater hat es untersagt und meinte, dass wir uns nicht daran bereichern sollen.

Wie war das also, als die Amerikaner Dorf Allendorf besetzten?

Karl-Heinz Weitz: Als damals Dreizehnjähriger habe ich das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt. Ich erinnere mich noch an die Errichtung einer Panzersperr in unmittelbarer Nähe des „Türmchen“ in Dorf Allendorf. Zu den „rüstigsten, wehrfähigsten Männern“, die verpflichtet wurden, im Volkssturm den sinnlosen Krieg an der Heimatfront zu verlängern, gehörte auch mein Vater. Dazu gehörte aber auch Albin Matthes. Er war Unternehmer und betrieb in Dorf Allendorf eine kleine Metallwaren-Fabrik. Sie fertigten kriegswichtige Produkte, die einer strengen Geheimhaltung unterlagen. Matthes war maßgeblicher Amtsinhaber der NSDAP und der SS. Seine Rolle im Volkssturm war klar. Er organisierte in Dorf Allendorf die Aktionen des Volkssturms. Unter seiner Aufsicht wurde in beschwerlicher Arbeit eine Panzersperre errichtet, und zwar mit primitivsten Mitteln, um den Einmarsch der Amerikaner zu stoppen.

Am darauffolgenden Morgen war die Panzersperre verschwunden. Es gab also Kräfte im Dorf, die wussten, dass diese Panzersperre kein Hindernis für die amerikanischen Panzer gewesen wäre. Wahrscheinlich hätten die Amerikaner das Feuer eröffnet und historische Gebäude wie das „Türmchen“ gäbe es heute nicht mehr. Gut so, dass man diesem Unsinn ein Ende gemacht hat.

Und was wissen Sie über die Rettung der Klosterbrücke?

Karl-Heinz Weitz: Wir waren auf dem Heimweg vom Schulunterricht einen Tag bevor die Amerikaner kamen. Ein Funktionär in SA-Uniform war auf der Brücke damit beschäftigt, ein Loch oberhalb des mittleren Pfeilers auszustemmen. Er erklärte uns voller Begeisterung, dass er das Loch für ein Sprengung der Brücke vorbereitete, damit die Amerikaner aufgehalten werden. Es ist mir nicht bekannt, wie, wann und von wem Sprengladungen eingebracht und zur Sprengung vorbereitet wurden. In der Nacht, als die Panzersperre verschwunden war, wurde die Lage akut. Das Haus, in dem ich mit meiner Familie lebte, wäre bei einer Sprengung nicht schadlos geblieben. Wir begaben uns deshalb aus Sicherheitsgründen in den Luftschutzkeller der Tischlerei Morgenweck. Wie erwartet, wurden die Brücken in der folgenden Nacht gesprengt. Die Detonation bei der Sprengung der Werrabrücke bei Tiefenort war unverkennbar wahrzunehmen. Die Sprengung der Holzbrücken über die Werra am Haad und an der Grundecke verursachten keine wahrnehmbaren Detonationen. Mit Angst erwarteten wir die Sprengung der Klosterbrücke. Zwischendurch kam kein Vater zu uns und beruhigte uns, dass die Brücke nicht gesprengt werden würde. Er musste wohl seine Hände im Spiel gehabt haben.

Später offenbarte er, dass er die Sprengladung entfernt hätte. Beiläufig kam zur Sprache, dass sein Gehilfe Albin Matthes war. Viel später traf ich Fritz Matthes, den Sohn des besagten Albin Matthes. Er ergänzte das, was ich schon wusste. Demnach trafen mein Vater und sein Vater in der bewussten Nacht zufällig zusammen und waren sich einig, dass die Sprengung der Brücke vereitelt werden muss, um das Dorf und die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren. Das ist für mich immer noch eine Überraschung und zugleich ein Rätsel.  Die hervorragende humanitäre Tat wurde von einem glühenden Verfechter der Nationalsozialistischen Ideologie und einem Antifaschisten und Mitglied der durch die Nazis verbotenen Kommunistischen Partei zusammen begangen. Vielleicht war es für den einen eine Geste der Wiedergutmachung und ein Versuch der Rehabilitation. Für den anderen war es aber mit Sicherheit eine menschliche Pflicht. Seine Weltanschauung gebot es, ärgeres Leid für die Bevölkerung zu verhindern. Beiden Akteuren gehört aus heutiger Sicht Anerkennung.

Vielen Dank für das Gespräch.

So unbekannt waren sie also nicht, die Helden. Das Denkmal müsste nach diesem Zeitzeugenbericht nicht mehr den „unbekannten Helden“ gewidmet werden. Die Retter der Werrabrücke sind bekannt und benannt. Sie verdienen Hochachtung und Respekt für ihr mutiges Eingreifen zur Rettung der Brücke.

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